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Ablauf eines finanzgerichtlichen Verfahrens

Bild mit Gerichtshammer und Waage
Quelle:pixabay.com
  • Das Verfahren vor dem Finanzgericht beginnt mit der Klageschrift. Diese muss
    - den Kläger,
    - den Beklagten (in der Regel das Finanzamt, das Zollamt oder die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit),
    - den Gegenstand des Klagebegehrens,
    - den Bescheid des Finanzamtes (Steuerart, Datum) und die Einspruchsentscheidung (Datum)
    bezeichnen.
    Der Kläger muss deutlich machen, welche Entscheidung er vom Finanzgericht erwartet. Die Klageschrift muss eigenhändig unterschrieben werden. Bei Abfassung der Klageschrift kann der Urkundsbeamte des Finanzgerichts helfen. Dieser darf aber nur Hilfe bei der Formulierung der Klageschrift leisten; eine Beratung über die Erfolgsaussichten ist nicht zulässig.

    Beispiel: Herr S. reicht - innerhalb der Klagefrist von einem Monat - die oben als Beispiel dargestellte Klageschrift (zweifach) beim Thüringer Finanzgericht ein. Zur Vereinfachung fügt er eine Kopie des angegriffenen Bescheides und der Einspruchsentscheidung bei.

  • Der Kläger erhält eine vorläufige Kostenrechnung. Nähere Einzelheiten finden sie in der Rubrik Kosten.

  • Das Gericht bestätigt Herrn S. schriftlich den Eingang seiner Klage und teilt ihm das Aktenzeichen seines Verfahrens beim Finanzgericht mit. Sämtliche Korrespondenz zwischen Herrn S. und dem Finanzamt wegen dieser Streitsache läuft nun über das Finanzgericht. Das Gericht fordert das Finanzamt auf, die Steuerakten zu übersenden und zur Sache Stellung zu nehmen (Klageerwiderung). Nach einigen Wochen erhält Herr S. die Stellungnahme des Finanzamtes. Hieraus ergibt sich im Beispielsfall, dass die Kosten immer noch nicht anerkannt werden. In vielen Fällen wechselt nun der Schriftverkehr hin und her bis jeder Beteiligte seine Argumente vortragen konnte.

    Am Anfang eines Verfahrens betreut ein Richter, der sogenannte „Berichterstatter“ das Verfahren. Er ist neben der Geschäftsstelle der erste Ansprechpartner für den Kläger. Vielfach kann er allein das Verfahren erledigen. Kommt es zu einer mündlichen Verhandlung, berichtet er den Senatsmitgliedern den Fall.

  • Nach der Eingangsbearbeitung und dem möglicherweise zeitraubenden Austausch der Schriftsätze kann der zuständige Richter, bevor er die Sache dem Senat als Entscheidungsgremium vorlegt, einen sogenannten "Erörterungstermin" anberaumen. Die Beteiligten werden dann zur Erörterung des Sach- und Streitstands zur möglichst einvernehmlichen Beilegung des Rechtsstreits geladen. Oftmals finden die Beteiligten dann eine abschließende Lösung, so dass es keiner weiteren Verhandlung vor dem Senat mehr bedarf. Dieser Termin kann im Gericht oder, um den Beteiligten die Anreise zu verkürzen, auch im meist  wohnortnahen Finanzamt durchgeführt werden. Der Erörterungstermin ist nicht öffentlich.

    Viele Streitigkeiten werden schon im schriftlichen Verfahren oder in einem solchen Erörterungstermin erledigt (z.B. Abhilfe durch das beklagte Amt, Rücknahme durch die Klägerseite oder gütliche Einigung durch bindende tatsächliche Verständigung über schwierig zu ermittelnde Sachverhalte). Die jeweiligen Erklärungen, Feststellungen und Erledigungen werden protokolliert. Für eine Erledigung durch (Teil-) Abhilfe seitens der beklagten Behörde (z.B. im Steuerrecht nach tatsächlicher Verständigung über den Sachverhalt) genügt bereits die protokollierte Zusage des Beklagtenvertreters, den zu ändernden Bescheid zu erlassen.

    Besondere Gerichtsgebühren entstehen hierfür nicht.

  • Grundlage der finanzgerichtlichen Entscheidung über eine Klage ist grundsätzlich die mündliche Verhandlung, die öffentlich stattfindet, wenn nicht der Kläger den Ausschluss der Öffentlichkeit verlangt.

    Zur mündlichen Verhandlung werden die Beteiligten bzw. ihre Prozessvertreter schriftlich mit einer Ladungsfrist von in der Regel mindestens zwei Wochen geladen. In dringenden Fällen kann das Gericht die Ladungsfrist auch abkürzen. Erscheint ein zur mündlichen Verhandlung geladener Beteiligter nicht, darf das Gericht die Sache auch ohne ihn verhandeln und entscheiden.

    Die mündliche Verhandlung vor dem Senat beginnt mit dem Aufruf zur Sache. Nach Eintritt der Beteiligten in den Sitzungssaal eröffnet der Vorsitzende die mündliche Verhandlung. Er stellt zunächst fest, wer erschienen ist und lässt dies im Sitzungsprotokoll vermerken. Bei Ausbleiben eines Beteiligten wird vom Vorsitzenden überprüft, ob er ordnungsgemäß geladen worden ist.

    Nach dem Aufruf der Sache trägt entweder der Vorsitzende oder der Berichterstatter den wesentlichen Inhalt der Akten vor. Dieser Sachvortrag enthält eine gedrängte Darstellung des Sachverhalts, die insbesondere dazu bestimmt ist, die bisher mit der Sache nicht befassten ehrenamtlichen Richter mit den wesentlichen Umständen vertraut zu machen. Gleichzeitig können die übrigen Beteiligten bei dieser Gelegenheit prüfen, ob das Gericht alle nach ihrer Auffassung wichtigen Tatsachen berücksichtigt hat.

    Nach dem Sachvortrag erhalten die Beteiligten das Wort, um ihre Auffassung zu begründen. Die Streitsache mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert. Dabei können alle Mitglieder des Gerichts, also auch die ehrenamtlichen Richter, den Beteiligten sachdienliche Fragen stellen. Etwaige Unklarheiten des Sachverhalts können so erörtert und ausgeräumt werden.

    Wenn Zeugen geladen wurden werden diese nun in den Verhandlungssaal hereingerufen und nach Belehrung vernommen.

    Nach ggflls. weiterer Erörterung der Streitsache werden die förmlichen Anträge gestellt und die mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden geschlossen. Das Gericht zieht sich dann zur Beratung zurück.

    Häufig werden vor der Beratung noch weitere Verfahren anderer Kläger verhandelt. Die Beratung erfolgt dann in der Regel erst am Ende des Sitzungstages.

    Hat das Gericht seine Beratung abgeschlossen, wird das Urteil meist noch am Terminstag, verkündet. Allerdings kann sich das Gericht auch darauf beschränken, das Urteil statt einer Verkündung nur schriftlich zuzustellen; in diesem Fall ist das Urteil binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übergeben.

    Die Beteiligten können die Urteilsverkündung abwarten oder, da die Beratung oft längere Zeit in Anspruch nimmt oder häufig noch andere Fälle verhandelt werden, das Ergebnis des Verfahrens bei der Geschäftsstelle telefonisch erfragen.

  • Nach dem möglicherweise zeitraubenden Wechsel des Schriftverkehrs kommt es in der Regel entweder

    zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch Gerichtsbescheid (§ 90 a der Finanzgerichtsordnung).

    Das Gericht kann, wenn der Sachverhalt klar ist, per Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung durch drei Berufsrichter entscheiden. Ist der Kläger oder das Finanzamt mit dieser Entscheidung nicht einverstanden, kann jeder innerhalb eines Monats die mündliche Verhandlung beantragen.

     

    oder

    zur Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

    Im Falle einer mündlichen Verhandlung lädt das Gericht den Kläger/die Klägerin (im Beispielfall Herrn S.) und einen Vertreter des Finanzamtes zum Gericht. Beide haben dann Gelegenheit, ihren Standpunkt persönlich in der Verhandlung vor drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern darzulegen.

    Am Ende der mündlichen Verhandlung wird entweder ein Urteil verkündet oder den Beteiligten mitgeteilt, dass eine Entscheidung schriftlich zugestellt wird.

    Es ist auch möglich, auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Dann entscheiden die drei Berufsrichter und zwei ehrenamtliche Richter, allerdings ohne förmliche mündliche Verhandlung.

     

    Im Beispielsfall könnte das Gericht zu der Auffassung gelangen, dass die Aufwendungen für den Computer in Form von Absetzungen für Abnutzung z.B. 400,00 Euro pro Jahr als Werbungskosten anerkannt werden.

     

    Selbstverständlich kann der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Klage auch noch zurücknehmen, wenn er auf Grund der Verhandlung zu der Auffassung kommt, dass sein Begehren wenig Aussicht auf Erfolg hat. Im Falle einer Klagerücknahme halbiert sich die Gerichtsgebühr. Auch das Finanzamt kann auf Grund der mündlichen Verhandlung seinen bisherigen Standpunkt revidieren und sich dazu verpflichten, einen zu Gunsten des Steuerpflichtigen geänderten Bescheid zu erlassen.

    Jedenfalls kann in finanzgerichtlichen Verfahren die Steuer des Klägers/der Klägerin nicht erhöht werden; das Risiko des Klägers/der Klägerin besteht also (neben den Kosten) nur darin, dass seine Klage abgewiesen wird.

  • Das Gericht hat bei Abschluss eines Verfahrens immer auch über die Verteilung der Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Gerichtsverwaltung ermittelt danach alle angefallenen Gerichtskosten und Auslagen und rechnet den Kostenvorschuss auf die entstandenen Kosten an. Ein entstehender Überschuss würde ihnen dann zurük erstattet werden.

  • Beim Thüringer Finanzgericht können auch sog. „Güterichterverfahren“ durchgeführt werden. Nähere Einzelheiten finden sie in der Rubrik Güterichterverfahren.